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Jubel für "My Fair Lady" am Landestheater Schleswig-Holstein

Das Blumenmädchen Eliza ganz oben: Gabriela Kühn überzeugte mit sängerischer und spielerischer Vielfalt. Foto Ehrhardt
Das Blumenmädchen Eliza ganz oben: Gabriela Kühn überzeugte mit sängerischer und spielerischer Vielfalt. Foto Ehrhardt

"Mit 'nem kleenen Stückchen Glück", "Es grünt so grün", "Ich hätt' getanzt heut nacht" – unverkennbar: die Evergreens aus My Fair Lady. Der Generalintendant des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters, Michael Grosse, hat das Musical als prachtvoll ausgestattetes, aber leichtfüßiges Spektakel auf die Bühne gebracht. Frederick Loewes unschlagbare Ohrwürmer aus Alan Jay Lerners My Fair Lady, einem der erfolgreichsten und meistgespielten Musicals aller Zeiten, können wegen ihres hohen Bekanntheitsgrads Fluch und Segen zugleich bedeuten, denn das Publikum reagiert enttäuscht, wenn es seine Erwartungen nicht erfüllt sieht. Doch Regisseur und Intendant Michael Grosse erntet mit seiner Fassung der weltbekannten Geschichte nach Bernard Shaws Pygmalion zusammen mit Bühnenbildner Hans-Jürgen Baumhöfner und Kostümbildnerin Cordula Stummeyer uneingeschränkte Zustimmung. Bei der ausverkauften Premiere am Sonnabend in Flensburg huldigten die Zuschauer dem Regieteam und einem durchweg grandios agierenden Mammut-Ensemble (Musiktheater, Ballett und Chor) mit großen Ovationen.

Der Phonetikprofessor Henry Higgins – Guido Weber: stimmgewaltiger Bariton und arrogant-störrischer Macho im feinen Tweed – begegnet bei seinen Dialektstudien dem Londoner Blumenmädchen Eliza, die Gabriela Kühn souverän und anrührend zuerst als garstig plappernde Göre, zwischendurch als zartes Mädchen mit gebrochenem Selbstvertrauen und am Ende als mutig aufbegehrende Frau zeigt. Von der ordinären Ausdrucksweise der "Rinnsteinpflanze" gleichermaßen angewidert und fasziniert, wettet Higgins mit Oberst Pickering (Helmut Tromm als herzensgute Großvaterfigur mit angestaubter Offiziersattitüde), dass er Eliza durch exzessives Sprachtraining auf einem öffentlichen Empfang als Herzogin vorstellen könnte. Das wiederum ruft Elizas Vater, den Müllkutscher Alfred P. Doolittle, auf den Plan, der vom sozialen Aufstieg seiner Tochter profitieren möchte. Mit wohltemperiertem Bass triumphiert Markus Wessiack als temperamentvoller Trunkenbold, den seine Sprachgewalt zum "originellsten Moralisten Englands" macht. Das linguistische Experiment entwickelt so ungeahnten Folgen{hellip}für alle.

Neben diesem Quartett überzeugten alle weiteren Solisten mit gesanglicher wie schauspielerischer Klasse. Das überaus sehenswertes Ergebnis der fruchtbaren Zusammenarbeit eines Schauspielregisseurs und einem Opernensemble. Mit klar konturierten Figuren und den ironischen Feinheiten des Textes stets gerecht werdend, gelang Grosse ein dramaturgisch geschlossener Theaterabend zwischen spektakulären Tanz- und Massenszenen (Choreographie: Peter Werner-Ranke, Chor: Raimund Heusch) und sauber erarbeiteter Personenregie. Zudem spielte sich das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester unter der beschwingten aber unaufgeregten Stabführung der 1. Kapellmeisterin Hsiao-Lin Liao blendend durch die verschiedenen Stile dieser Mutter aller Musicals. Und so war es mehr als ein Hauch von Broadway, der an diesem Abend durch Flensburgs Straßen wehte.

Loewe/Lerner: My Fair Lady. Inszenierung: Michael Grosse; musikalische Leitung: Hsiao-Lin Liao. Landestheater SH; weitere Aufführungen: 25. Dez., 19 Uhr; 2. Jan., 20 Uhr (FL); 28. Dez.,19 Uhr; 31. Dez.,18 Uhr; 1. Jan.,16 Uhr (RD)

Von Thomas Richter



nordClick/kn vom 22.12.2003 01:00

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