09.10.2003
Zauberer von Oz: Wundersame, wunderbare Musical-Reise nach
Opalien
„Der
Zauberer von Oz" hatte am vorigen Freitagabend im Anhaltischen Theater
Dessau Premiere. Aus dem über 100 Jahre alten Kinderbuchklassiker „The
Wizard of Oz" hat Regisseurin Ana Haffter eine ideen- und fantasiereiche,
beschwingt fröhliche und bunte Inszenierung
geschaffen.
„P 6 - und nach oben
keine Altersbegrenzung" könnte eine Einstufung für das Stück „Der Zauberer
von Oz" lauten. Es ist Fantasie, Märchen und Musical zugleich. Aus dem
über 100 Jahre alten Kinderbuchklassiker „The Wizard of Oz" hat
Regisseurin Ana Haffter eine ideen- und fantasiereiche, beschwingt
fröhliche und bunte Inszenierung geschaffen, die zur Premiere am vorigen
Freitag den ungeteilten Beifall, eben von Jung und Alt, bekommen hat.
Die Regisseurin hat sich bei ihrer Arbeit mit dem. Musical von
Harold Arien und E. Y. Harburg an das Drehbuch eines Films in der
deutschen Übersetzung von Klaus Eidam angelehnt. Damit orientiert sie sich
mehr am klassischen Märchen, fokussiert die Handlung auf Doro, das
Mädchen, das auf wundersame Weise in ein anderes Land verschlagen wurde,
und drei wunderliche „Figuren", die mehr und mehr zu ihren Freunden
geworden sind. Doro möchte wieder nach Hause. Die strohgestopfte
Vogelscheuche wünscht sich etwas Verstand. Der Blechmann vermisst ein
Herz. Und schließlich möchte der Löwe der wirkliche König der Tiere sein,
aber dazu fehlt ihm der Mut. Der berühmte Zauberer von Oz in der
Smaragdenstadt kann für alle vier eine Lösung der Probleme und Sorgen
haben. Der weite Weg zu ihm über die gelbe Straße birgt eine
Reihe von Abenteuern. Die Vier begegnen der guten Hexe des Nordens. Sie
bekommen es handfest mit der bösen Hexe des Westens zu tun, müssen
letztendlich mit Kampf und List für deren bitterbösen Tod sorgen. Ihr
gesuchter Kontakt mit dem Zauberer von Oz ist von Anbeginn höchst
sonderlich, geheimnisumwittert. Die Zuschauer erleben eine stets
spannende, abwechslungsreiche, mit vielen Überraschungen versehene
Aufführung. Schon mit dem forsch gespielten musikalischen Auftakt bringt
das unter Leitung von Markus L. Frank durchweg äußerst schwungvoll und
mitreißend agierende Orchester das Publikum in Stimmung, macht neugierig
auf das Kommende. Vor allem auch, wie es gemacht wird. Technik,
Licht und Ton haben bravourös agiert. Es zischt und kracht. Der Sturm
lässt Gegenstände durch die Luft fliegen. Schränke, Tische und andere
Einrichtungsgegenstände kommen gefährlich ins Wanken, stürzen um. Licht
und Musik schaffen zauberhafte Stimmungen. Das variable Bühnenbild
(Michael Meierski) ermöglicht Action. Die Kostüme und Masken (Cordula
Stummeyer) sind wahrlich schön. Diese wahrhafte Zauberschau, immer aber
auf die oder an der Handlung orientiert, ist dem Stück mehr oder minder,
doch immer spürbar, auch in vielen Details, stets präsent. Was
wäre aber die noch so effektvoll und ideenreich eingesetzte allumfassende
Technik (Gesamtleitung Helmut Uschmann) ohne die Darsteller? Es
sollte legitim sein, hier, ohne jemandem wehe zu tun, den Opernchor
(Leitung Markus Oppeneiger) zuerst zu nennen, deren Mitglieder auf oder
hinter der Bühne brillant singen können, aber ebenso eindrucksvoll als
Staubmäuse, als Opalier, als die Hellmuths und in solistischen Rollen so
richtig Leben auf die Bühne bringen. Und getanzt wird in diesem Märchen
oft (Choreografie Thorsten Kreissig). Besonders eindrucksvoll sind die
„Zwangstänze", die den vier Suchenden von der bösen Hexe „ auf gezwungen"
werden. Christina Gerstberger spielt eine sinnliche wie überaus lebendige
Doro Sturm, ein liebenswertes Mädchen mit Sinn, Verstand und Tatkraft.
Nicht nur das von ihr nahegehend gesungene bekannte „Regenbogenlied" haben
die Zuschauer mit Zwischenbeifall bedacht. Überhaupt hat das Publikum, auf
das die Spielfreude der Darsteller, die Musik, das gesamte Fluidum
animierend gewirkt haben, das Geschehen oft mit Beifall gewürdigt.
Gegensätzlicher wie kaum möglich, haben Sabine Noack als die
gute Hexe des Nordens und Kristina Baran als die böse bissige Hexe des
Westens ihre Parts mit gutem Gesang und trefflich charakterisierendem
Spiel ins Geschehen eingebracht. Nette, liebenswerte, manchmal
auch bedauernswerte Begleiter der Doro auf dem Weg zum Oz sind Peter
Diebschlag als die Vogelscheuche, Kai Bronisch als der Blechmann und
Kostadin Arguirow als Löwe. Stephan Biener, schließlich als der
vermeintliche Zauberer geoutet, konnte dennoch Doro und ihren drei
Begleitern helfen, weil das Gesuchte eigentlich in jedem steckt. Dass die
nach Hause zurückgekehrte Doro Ähnlichkeiten zwischen dem Zauberer von Oz
und Onkel Henry, zwischen der guten Hexe und Tante Emma und zwischen den
anderen Figuren auf dem Weg zum Oz und „realen" Personen aus ihrem
tatsächlichen Umfeld erkannt hat, könnte auf einen abwechslungsreichen
Traum hinweisen. Es könnte aber auch eben wie in einem Märchen gewesen
sein. von Helmut Rohm, 9.10.03
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